Tagesbehandlungskonzept nur für Kliniken: Rückschritt für Ambulantisierung und effiziente Versorgung
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Düsseldorf, 5. Oktober 2022
Mit ihrer Empfehlung, wonach Krankenhäuser „sämtliche bislang vollstationär
erbrachten Leistungen als Tagesbehandlung“ erbringen können, erweist die
Krankenhauskommission der Ambulantisierung einen Bärendienst. Anstelle einer umfassenden
Reform des ambulanten Operierens für Krankenhäuser und vertragsärztliche Praxen sowie MVZ
werden zur „kurzfristigen Entlastung der Krankenhäuser“ nur für diese neue Möglichkeiten
eröffnet. Der Preis: Die Ambulantisierung wird verlangsamt, erfolgreiche vertragsärztliche OP-
Zentren werden geschwächt, Effizienz- sowie Kostenargumente ignoriert, Patientenwünsche
übergangen.
Die Ambulantisierung ist eine gemeinsame Aufgabe von Krankenkassen, Deutscher Krankenhausgesellschaft und Kassenärztlicher Bundesvereinigung. An der Umsetzung eines erweiterten Katalogs der ambulant zu erbringenden Leistungen (AOP-Katalog) haben zuletzt alle drei intensiv gearbeitet. Daher überrascht, dass die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausreform diesen gemeinsamen Weg ignoriert – zugunsten eines reinen Krankenhauskonzepts. Sie empfiehlt in ihrer zweiten Stellungnahme, „ab spätestens 01.01.2023“ für „sämtliche bislang vollstationär erbrachten Leistungen“ Tagesbehandlungen „über einen oder mehrere Tage“ zu erlauben. Patienten verbringen zwar den Tag im Krankenhaus, zum Schlafen gehen sie jedoch nach Hause. Das Krankenhaus erhält dafür die DRG, die um „nicht anfallende Übernachtungskosten“ gekürzt wird.
Eine der Annahmen im Kommissionspapier ist, dass der AOP-Katalog nach § 115b „keine relevanten Auswirkungen auf das Gesundheitssystem“ hatte. Das aber ist falsch. Zahlreiche Indikationen – gerade auch in der Augenheilkunde – wurden in den letzten Jahren und Jahrzehnten erfolgreich aus der stationären in die ambulante Versorgung überführt. Die führenden Protagonisten dieser Entwicklung waren vertragsärztliche Praxen und Medizinische Versorgungszentren (MVZ)1. Richtig ist aber auch, dass das Ambulantisierungspotential aktuell nicht ausgeschöpft wird. Daher wird derzeit gemeinsam um eine Ausweitung des AOP-Katalogs gerungen. Mit der vorgeschlagenen einseitigen Förderung der Krankenhäuser wird ein neuer Weg vorgeschlagen. Praxen und MVZ, die bisher die Ambulantisierung wesentlich vorangetrieben haben, werden ausgeschlossen. „Das halten wir für falsch“, so der OcuNet- Verbund.
Beispiel Katarakt-Operationen: Vertragsärztliche Zentren sind Motoren der Ambulantisierung
Die Augenheilkunde ist ein Musterbeispiel erfolgreicher Ambulantisierung – und das ganz im Einklang mit
den Wünschen der Patientinnen und Patienten. Die Pioniere der Ambulantisierung der Kataraktoperation
waren Vertragsärzte und -ärztinnen. Bis die Krankenhäuser nachzogen, dauerte es zum Teil Jahrzehnte.
Heute werden 85 Prozent der operativen Linsenextraktionen (also der Operationen des Grauen Stars) von
vertragsärztlichen Zentren und Krankenhäusern ambulant vorgenommen.
Ohne den Wettbewerbsdruck durch vertragsärztliche Zentren wird der Ambulantisierung der Schwung genommen. Krankenhäusern fehlt ein systematischer Anreiz: Im Vergleich zu den angedachten Tagesbehandlungskonditionen löst eine vollstationäre Versorgung immer noch eine höhere Vergütung aus. Außerdem müssten gewohnte Prozesse geändert werden. Anders bei vertragsärztlichen Zentren und MVZ: „Vertragsärztliche Akteure haben einen intrinsischen Anreiz zur Ambulantisierung: Es ist ihr Versorgungsfeld. Es sind ihre eigenverantwortlich organisierten Operationszentren. Es ist ihre etablierte Versorgungskultur.“, so der OcuNet-Verbund.
Der Erfolg der bisherigen Ambulantisierung könnte zudem durch den Vorschlag der Kommission gefährdet sein. Denn der Empfehlung ist nicht eindeutig zu entnehmen, wie Krankenhäuser die Leistungen des aktuellen AOP-Katalogs künftig erbringen und abrechnen können. Bisher rechnen alle Akteure die ambulanten Operationen des AOP-Katalogs zu den gleichen Konditionen ab. Falls zukünftig Krankenhäuser solche im Kern gleichen Leistungen als Tagesbehandlung nach DRG minus Übernachtungskosten abrechnen dürften, wäre das für sie deutlich attraktiver. Diese Möglichkeit bliebe vertragsärztlichen Praxen und MVZ aber versperrt. Es würde bedeuten, dass bei gleichen Leistungen und gleicher Ausführung eine Vergütungsschere aufginge. Das wäre sachlich nicht zu rechtfertigen.
Gleiche Bedingungen für Krankenhäuser und vertragsärztliche Praxen sowie MVZ
Für einen Ausbau der Ambulantisierung braucht es gleiche Bedingungen und Anforderungen für alle – Krankenhäuser wie vertragsärztliche Praxen und MVZ. Aktuell scheitert mehr Ambulantisierung auch daran, dass die Honorierung nicht stimmt: Die Konditionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs als Abrechnungsgrundlage für vertragsärztliche Praxen sowie MVZ und die Erstattung für OP- Verbrauchsartikel sind oft nicht auskömmlich. Dafür braucht es Lösungen. Ein vernünftiger Vorschlag zur sektorengleichen Vergütung2 liegt bereits auf dem Tisch. Wichtig und sinnvoll ist es zudem, Kooperationen von vertragsärztlichen Praxen und MVZ mit Krankenhäusern zu fördern. Die Vorschläge der Regierungskommission für eine krankenhausexklusive Weiterentwicklung der Ambulantisierung über Tagesbehandlungen lehnt der OcuNet-Verbund daher ab.
Vollversorgende und intersektorale augenmedizinische Facharztzentren im OcuNet Verbund
Der OcuNet Verbund ist ein verbandlicher Zusammenschluss von großen vollversorgenden augenmedizinischen
Facharztzentren. Jedes der angeschlossenen Zentren versorgt Patienten konservativ und ambulant chirurgisch,
einige Zentren behandeln zusätzlich stationär. An den ländlich gelegenen Standorten wird i.d.R.
augenmedizinische Grundversorgung, an den meist städtischen Praxisstandorten wird spezialisierte Diagnostik und
Therapie vorgehalten. In den Zentren arbeiten selbstständige und angestellte Fachärztinnen und Fachärzte
zusammen. Die Zentren sind entweder als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) oder als (überörtliche)
Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) aufgestellt.
Alle im OcuNet Verbund organisierten Zentren versorgten 2019 knapp 9 % aller Patienten von Augenpraxen. Knapp 9% aller augenmedizinischen Praxisstandorte gehörten zu den Zentren, die Hälfte davon lag in ländlichen Regionen.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Priv.-Doz. Dr. rer. medic. Ursula Hahn
Geschäftsführerin der OcuNet Verwaltungs GmbH
Friedrichstraße 47
40217 Düsseldorf
Tel.: 0211 – 179 32 66
Email: zentrale@ocunet.de
Internet: www.ocunet.de
1 https://www.iges.com/kunden/gesundheit/forschungsergebnisse/2022/erweiterter-aop-katalog/index_ger.html,
https://www.zi.de/fileadmin/images/content/Veranstaltungen/2022-09-20/ESV_2022-09-20_Messerle.pdf.
2 https://www.hche.uni-hamburg.de/presse/pressemitteilungen.html#20359604